Der muss weg – SOFORT

So manches Herz wird weich, wenn man sich die schrecklichen Fotos der Hunde im Canile anschaut. Abgemagerte Hunde. Kranke Hunde. Hunde, die sich aufgegeben haben. Hunde, die sich aus Verzweiflung und vollkommen gestresst nur noch im Kreis drehen und in dieser grausamen Gefangenschaft wahnsinnig werden.

Welcher Tierfreund schafft es da noch wegzuschauen? Nachdem der Familienrat getagt hat steht fest: Bald gibt es Zuwachs in der Familie.

Doch was genau steht Mensch und Tier mit der Adoption eines Canile Hundes bevor? Schauen wir uns beide Seiten mal etwas genauer an.

Der Mensch ist grundsätzlich ein emotionales Wesen. Große Ereignisse bringen in der Regel große Aufregungen mit sich. Tag X kommt immer näher. Zuhause ist alles vorbereitet. Körbchen gekauft. Näpfe besorgt. Schließlich soll es dem neuen Familienmitglied an nichts fehlen. Der Neuankömmling gehört (obwohl er noch nicht da ist) bereits mit zur Familie. Seine Menschen binden sich emotional schon an ihn und können es kaum abwarten, ihn in die Arme zu schließen.

Schauen wir uns das Leben des Hundes an.
Er sitzt in einem Hundelager in Italien. Das Tierschutzgesetz in Italien verbietet die Tötung der Hunde. Sie sind eingesperrt. Lebenslang. Sie verlassen nie ihre Betonboxen. Nie! Nicht mal zur Reinigung der Boxen. Die Arbeiter spritzen die Betonboxen mit Wasserschläuchen durch. Die Hunde besitzen nichts, was das Leben etwas komfortabler machen könnte. Keine Körbchen oder Decken. Dies ist aus hygienischen Gründen nicht möglich.

Die Vorgeschichte der Hunde kennen wir oft nicht.
Vielleicht war er bereits in einer Familie und war nicht mehr gewollt. Vielleicht wuchs er auf der Straße auf und wurde eingefangen. Vielleicht wurde er abgegeben, weil er seine Aufgabe (für die er angeschafft wurde) nicht erfüllen konnte. Vielleicht ist er alt und krank und niemand will ihn mehr haben. Vielleicht wurde er schrecklich misshandelt. Vielleicht wurde er in einer kleinen engen Box gehalten. Vielleicht war er ein Kettenhund. Es sind alles Spekulationen. Wir wissen es nicht. Aber was wir wissen ist, dass er nicht das Leben hatte, das Sie ihm nun mit einer Adoption schenken möchten.

Da sitzt er nun. Im Sommer in der glühenden südlichen Hitze. Im Winter auf dem kalten Betonboden. Er kommt mehr oder weniger gut oder überhaupt nicht mit der Gefangenschaft und den anderen Hunden zurecht. Adozioni del Cuore e.V. bekommt seine Fotos und ein paar Infos von den italienischen Tierschützern weitergeleitet. Mit den wenigen Infos die wir haben, bekommt er einen Namen, einen Text und ein Profil auf unserer Homepage. Damit für ihn die vielleicht einzige Chance, das Lager jemals zu verlassen.

Während er weiter in seinem trostlosen Gefängnis sitzt, beschließt jemand ihn zu adoptieren. Nach positiver Vorkontrolle schließen wir einen Schutzvertrag ab und leiten den Transport in die Wege. Wir informieren Sie im Vorfeld so gut wie möglich über das Tier. Vor Transport bekommen alle Adoptanten eine Checkliste – Ratschläge für die ersten gemeinsamen Tage.

Nun kommt der Tag, an dem sich Adoptant und Hund das erste Mal sehen.

Hier sei noch angemerkt, dass der Liebling ganz schnell zum “der muss weg” Hund werden kann, wenn Größe oder Farbe vom Foto abweichen. Seien Sie sich also bitte darüber im Klaren, dass wir kein Versandhandel mit Umtauschmöglichkeiten sind. Es handelt sich hier um Lebewesen, die über uns, Adozioni del Cuore e.V., vermittelt werden. Eine Sofort-Lösung für Hunde, die äußerlich dann nicht gefallen, die haben wir nicht. Wenn man klare Vorstellungen und Wünsche hat, dann sollte man einen Hund bei einem Züchter kaufen, wo er vorher begutachtet werden kann.

Nun gut. Gehen wir davon aus, dass der Hund die erste Hürde erfolgreich überwunden hat. Er gefällt der Familie und darf sein neues Zuhause beziehen.

Tag 1
Hat sich die Aufregung etwas gelegt, wird der schreckliche Geruch wahrgenommen. Ja. Canile Hunde stinken schrecklich. Und nach der Abholung auch Ihr ganzes Auto! Canile Hunde leben auf Beton und oft in ihrem eigenen Dreck. Das Fell wird nicht gepflegt und es gibt dort auch niemand, der die Hunde badet. Doch ein Bad und Hundeshampoo bewirken wahre Wunder. Verfilztes Fell kann auch geschoren werden und verschafft so Hund und Besitzer schnell Erleichterung.

Wie kommt es aber jetzt dazu, dass Lilly, Luna oder Fiocco so gar nicht auf ihren Namen hören ? Ganz einfach: weil sie ihn nicht kennen. Im Canile sind sie nur eine Nummer. Den Namen haben die Tierschützer ihnen für das Profil unserer Webseite gegeben. Sie müssen ihren Namen also erst noch lernen.

Stubenrein sind Canile Hunde meist auch nicht. Aber sie lernen sehr sehr schnell, wo sie ihr Geschäft zu verrichten haben.

Oft hilft es, die Tiere die ersten Tage einfach in Ruhe zu lassen. Nicht Bedrängen und bei ängstlichen und unsicheren Tieren hilft erstmal sie nicht zu beachten. Mitleid verstärkt Angst und Unsicherheit nur noch. Lassen Sie dem Tier Zeit, sich an Umgebung, Menschen und Tiere im Haus zu gewöhnen. Engen Sie es nicht durch Umarmung und Küsschen etc. ein.
Warten Sie, bis Ihr Hund auf Sie zukommt.
Klare Strukturen sind nun wichtig. Gassi, Essen, Ruhen, Spielen usw.
Der Hund lernt seine Stellung im Rudel kennen.

Achten Sie bitte auch darauf, dass Sie Türen geschlossen halten und der Hund in einem unbeobachteten Moment nicht entwischen kann. Die Leine ist in der ersten Zeit ein MUSS. Auch im Garten. Wir empfehlen Sicherheitsgeschirre von Sientas. Sie können diese bei Adoption von uns bekommen. Und benutzen Sie es bitte dann auch! Ihr Hund kennt nichts. Keine Autos. Keine lauten Geräusche. Er kann sich erschrecken und sich aus einem herkömmlichen Geschirr blitzschnell befreien. Dieser Ausflug kann tödlich sein für ihn.

Tag 5
Das neue Mitglied ist (meist) insoweit angekommen, dass es selbstsicherer geworden ist.

Es gibt die Hunde, die ihre Stellung im Rudel (nämlich die niedrigste) anerkannt und angenommen haben. Denn Bewachen und den Überblick behalten ist eher was für Herrchen und Frauchen. Sie finden sich prima in die Abläufe ein und es gibt keine Probleme. Sie genießen ihr neues Leben und sind zufrieden. Happy end ! Wir freuen uns.

Aber es gibt auch die Hunde, die sich selbst in einem höheren Rang sehen, was letztendlich zu Problemen führt. Insbesondere bei unerfahrenen Menschen. Wie äußert sich das ?
Das Sofa wird beschlagnahmt und es wird auch mal geknurrt oder gegenüber Mensch und vorhandenen Tieren geschnappt. Besonders gefährlich ist das natürlich auch, wenn Kinder in der Familie vorhanden sind. Es bricht Panik aus. Der Hund muss weg. Sofort ! Aus dem Liebling wird der aggressive Hund, der unmöglich bleiben kann. Adozioni del Cuore e.V. wird angerufen. Die Situation wird besprochen. Wir raten in solchen Situationen immer einen Hundetrainer mit ins Boot zu nehmen. Meist ist es das eigene Fehlverhalten, das den Hund zu so einem Verhalten animiert. Nur durch klare hierarchische Strukturen ist ein stressfreies und harmonisches Zusammenleben möglich. Und es ist Ihre Aufgabe, dem Hund diese Strukturen zu vermitteln.

Leider ist es jedoch so, dass die wenigsten Menschen bereit sind, sich dieser Herausforderung zu stellen. Der Hund wird als bösartig oder aggressiv eingestuft und hat kein Platz mehr in Herz und Heim. Er muss weg. Sofort !

Adozioni der Cuore e.V. ist ein kleiner Verein, der Hunde vermittelt. Wir arbeiten mit einigen Pflegestelle zusammen. Jedoch haben wir keine Pension oder ein eigenes Tierheim zur Verfügung. Wir arbeiten ehrenamtlich und jeder von uns hat Familie und eigene Tiere. Das macht also einen “der muss weg Hund” auch für uns zu einem riesigen Problem. Natürlich beginnen wir sofort damit, ein erfahrenes Zuhause zu suchen. Aber dies ist nicht innerhalb weniger Tage möglich. Meist vergehen Wochen bis sich eine Alternative findet. Und diese Wochen sind für alle Beteiligten sehr anstrengend.

Daher raten wir dringend vor der Adoption (oder auch Kauf) eines Hundes.

Überlegen Sie sich, wie Sie mit möglichen Problemen umgehen. Was, wenn er sich nicht mit vorhandenen Hunden / Katzen versteht und schnappt? Was ist wenn er bellt oder die Wohnungseinrichtung beschädigt ? Bin ich bereit mit dem Tier an Problemen und Verhalten zu arbeiten und einen Trainer hinzuzuziehen?

Es ist der einfachste und verantwortungsloseste Weg, ein Tier nach Adoption einfach wegzugeben. Es gibt immer einen anderen Weg … wenn man es will !!

Fazit:
Tierschutzhund = Leben retten. Dafür viel Geduld, Zeit und Liebe investieren. In Kauf nehmen, dass das Tier einfach länger braucht, evtl unter Verlustängsten leidet, missbraucht und gequält wurde. Mögliche Kosten für einen Trainer einkalkulieren. Alle möglichen Probleme abwägen.

Wer sich das alles nicht zutraut, geht besser zum Züchter oder ins Tierheim. Hund und Familie können sich kennenlernen und abwägen ob es passt.

© Sabine Niederreuther
Adoptantin und Pflegestelle
Ehrenamtliche Mitarbeiterin
Adozioni del Cuore e.V.
www.adozioni-del-cuore.de

Gründungsmitglied Voices for Dogs e.V.